2022 • «Smartphone-Kunst in mittelalterlichem Gemäuer» - Zora Rosenfelder; Zürichsee-Zeitung, 13. September 2022
Susi Bleuler gründete 1974 die «Galerie im Höchhuus» in Küsnacht. Nun stellt die 86-Jährige dort ihre Kunst aus – unter anderem Bilder, die sie mit Computer und Smartphone kreiert.
1974 hauchte sie dem Höchhuus in Küsnacht nach dessen Restauration wieder Leben ein – und gründete im Riegelwerk aus dem 13. Jahrhundert eine Galerie. Fast fünfzig Jahre später zieht es die Künstlerin Susi Bleuler im Alter von 86 Jahren wieder dahin zurück, wo sie viele Erinnerungen geschaffen hat. Ab dem 15. September zeigt sie sowohl neue als auch lieb gewonnene ältere Werke.
«Ich habe mich sofort wieder heimisch gefühlt», sagt sie mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Die Ausstellung sei genau so geworden, wie sie sich diese auf dem Papier vorgestellt habe. Die Malereien, Skulpturen und Fotografien hätten ihr Plätzchen alle gefunden. «Ich kenne ja schliesslich jede Ecke dieser Räume», fügt sie lachend hinzu.
Von der Idee zur Galerieleitung
Dass Susi Bleuler die Galerie überhaupt gegründet hatte, war einst reiner Zufall. Nach der Rettung des Höchhuus, welches in den Sechzigerjahren abgebrochen werden sollte, hatte die Gemeinde Küsnacht eine Umfrage gestartet. Man suchte nach Ideen, was mit den restaurierten Räumen geschehen soll.
«Ich wollte eigentlich nur einen Ideenanstoss geben», erinnert sich Bleuler. Als sie Wochen später plötzlich einen Anruf bekam und man ihr vorschlug, die Galerie doch gleich selbst zu führen, fiel sie aus allen Wolken. Doch der Zeitpunkt sei perfekt gewesen. «Jetzt oder nie», sagte sie sich damals, und die Entschlossenheit ist in ihrer Stimme immer noch spürbar. In der Folge leitete sie die zentral an der Seestrasse gelegene Galerie während 15 Jahren.
Material von der Baustelle
Passend zur Entstehungsgeschichte der Galerie trägt auch die aktuelle Ausstellung den Namen «Einfälle und Zufälle». Dass ihr Enkel Fabio Bleuler die Einführung der Ausstellung übernimmt, war ebenfalls ein spontaner Einfall. «Er hat nicht Kunst studiert und wird das deshalb ganz locker rüberbringen», ist Susi Bleuler überzeugt. Was der Enkel sagt, haben die beiden nicht abgesprochen. Denn das Wichtigste für sie als Künstlerin sei, dass die Menschen ihre Kunst in erster Linie selbst betrachten, aus ihrem eigenen Blickwinkel.
«Die Leute fragen immer: Was ist das?, wenn sie vor einem Bild stehen», sagt Susi Bleuler schmunzelnd. Dabei gehe es doch viel mehr darum, was man mit einem Werk verbindet oder wie es entstanden ist. Dieser Grundsatz widerspiegelt sich auch in ihrer Kunst deutlich. So hat sie auf dem Weg in die Galerie eines Tages neben einer Baustelle herumliegende Abfallteile aus Blei mitgenommen, erzählt sie. «Beim Betrachten sind plötzlich Formen daraus geworden.» Nur mit den Händen formte die Künstlerin das Blei zu Skulpturen. Die Spuren darauf, die die Witterung hinterlassen hatte, dienten ihr als Wegweiser.
Auch viele der Fotomontagen entstanden zufällig, aus einem alltäglichen Moment heraus. «Sogar bei den Gemälden habe ich einfach auf dem gemalt, was ich gefunden habe, egal ob es ein Karton oder etwas anderes war», sagt Bleuler.
Ein Spiegel der Einflüsse
Nun nochmals in Küsnacht auszustellen, kostet die 86-Jährige allerdings viel Energie. Zumal sie sich für die Vorbereitung ausschliesslich die Hilfe ihrer Schwester und eines ehemaligen Schulkollegen zugestand. Das sei «ihr Ding». Denn ihre Kunst war immer auch ein Abbild ihrer Persönlichkeit, ein Verarbeiten der bewussten und unbewussten Gefühle und ein Spiegel der äusseren Einflüsse.
So widerspiegeln auch all ihre Werke eine Zeit im Leben der Künstlerin. Zog sie von einer engen in eine grössere, luftigere Wohnung, wurden ihre Gemälde grosszügiger und heller. Zur Zeit des blutigen Bosnienkriegs dagegen sind die Werke geprägt von Angst und düsteren Farbtönen.
Inspiration aus der Umgebung
Auch heute noch findet Bleuler ihre Inspiration in nächster Umgebung. Ihre Fotos und Fotomontagen beispielsweise, die sie nur mit dem Smartphone aufnimmt und selbst am Computer bearbeitet, entstehen in ihrer Alterswohnung in Küsnacht.
Sich nun vor der Vernissage für eine beschränkte Zahl an Werken zu entscheiden, sei sehr schwer gewesen. Doch sie sei auch in der Malerei nicht die, die ein Bild «plant». «Es muss einfach fliessen, ich suche nach Kombinationen, sagt sie und lässt ihren Blick über die dicken Steinmauern des Höchhuus schweifen. Mit einem Lächeln im Gesicht überlegt Susi Bleuler noch einen Moment. «Nein, eigentlich war es doch nicht so schwer, ich fühle mich hier sehr verbunden.»
2022 • «Einfälle und Zufälle – eine Werkschau» - Küsnachter, 8. September 2022
2008 • Text von Dr. Martin Kraft (Kurzfassung), Dr. Martin Kraft
Farbe, Bewegung, Emotion
Am Anfang steht nichts als eine einzige Farbe, ohne dass Susi Bleuler erklären könnte, wieso sie statt einer anderen ausgerechnet diese gewählt habe: eine Frage der momentanen Stimmung also.
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Sie baut nicht planvoll eine Komposition auf, sondern arbeitet rein intuitiv. Über die dünn aufgetragene erste Farbe legt sie eine andere und wieder eine andere, Schicht um Schicht, so dass früher Gemaltes durchscheint und das Bild räumliche Tiefe gewinnt. Und dann kommt plötzlich, unberechenbar, der Augenblick, wo die Intuition der Reflexion, dem kritischen Abwägen weicht.
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Das wäre dann ein Thema ihres Schaffens, das ansonsten keine Themen kennt – ausser: Farbe, Bewegung, Emotion.
2008 • Text von Dr. Martin Kraft (ganzer Text), Dr. Martin Kraft
Farbe, Bewegung, Emotion
Der Malprozess mag bei abstrakter Malerei, wo die Frage nach der Wirklichkeitstreue des Gemalten nicht von ihm ablenkt, besonders interessieren. Mit Action Painting, das Susi Bleuler an sich sehr anspricht, hat er hier nichts zu tun. Aber sie baut auch nicht planvoll eine Komposition auf, sondern arbeitet rein intuitiv. Über die dünn aufgetragene erste Farbe legt sie eine andere und wieder eine andere, Schicht um Schicht, so dass früher Gemaltes durchscheint und das Bild räumliche Tiefe gewinnt. Und dann kommt plötzlich, unberechenbar, der Augenblick, wo die Intuition der Reflexion, dem kritischen Abwägen weicht. Ist das Bild bereits vollendet? Was muss noch hinzugefügt, verändert werden? Oder würde jeder weitere Schritt das Bild nur zerstören?
Wenn auch Reflexe der sichtbaren Wirklichkeit unvermeidlicherweise in ihre Bilder einfliessen, malt Susi Bleuler ohne bewussten Bezug zu dieser.
Zugleich weiss sie aus Erfahrung, dass sich bei den Betrachtenden immer wieder unterschiedlichste Assoziationen an Geschautes und unterschiedlichste Emotionen einstellen. Gelegentlich mag sie mit Bildtiteln, die sie nicht unbedingt aus innerem Bedürfnis, sondern auch den Forderungen des Kunstbetriebs entsprechend gibt, dazu anregen. Wesentlich ist, dass sich mit solchen durch kein vorgegebenes Konzept eingeengten Assoziationen ein Dialog ergibt zwischen der Künstlerin und ihrem Publikum. Das wäre dann ein Thema ihres Schaffens, das ansonsten keine Themen kennt – ausser: Farbe, Bewegung, Emotion.
Interpretieren lassen sich abstrakte Bilder naturgemäss nur bedingt, wenn man Interpretation nicht auf die Beschreibung dessen reduziert, was gegenüber dem Original eigentlich offensichtlich ist.
Bei Susi Bleuler aber steht am Anfang nichts als eine einzige Farbe, ohne dass sie erklären könnte, wieso sie statt einer anderen ausgerechnet diese gewählt habe: eine Frage der momentanen Stimmung also. Wesentlich ist dabei, dass sich beim Blick über das gesamte Schaffen zwar immer wieder durch dieselbe Farbkombination verbundene Werkgruppen zeigen, insgesamt aber alle Farben ohne Bevorzugung einer einzelnen eingesetzt werden, unter ihnen gewissermassen ein demokratisches Gleichgewicht besteht.
2006 • Auszug aus einem Text von Sinda Dimroth Künstlerin und Kunsthistorikerin
In meinem Arbeitszimmer hängt ein grosses abstraktes Bild, 100 x 120 Zentimeter, Acryl auf Leinwand von Susi Bleuler.
…es ist aus vielen Malschichten aufgebaut, durchlässig; bis zum Malgrund verfolgt das Auge den Pinselstrich. Die Transparenz der Malaufträge erzeugt diese Tiefe, die uns an unergründliches Wasser oder den Blick aus grosser Höhe denken lässt…
Die Pinselführung ist impressionistisch, zart gestisch, eher verhalten, nie auftrumpfend oder pastos…
2005 • Küsnachter Jahrheft Sinda Dimroth, November 05
Susi Bleuler hat viele Jahre in einem Kellerraum gearbeitet, wo ich sie mehrfach besucht habe. Die enorme Ernsthaftigkeit und Konsequenz mit der sie ihren eigenen Weg suchte und geht, weitab von allen Kunsttrends, das hat mein Interesse hervorgerufen. Da gibt es grosse Leinwände mit Köpfen, in deren Physiognomie die jeweils aktuelle Problematik der Künstlerin um Ausdruck ringt und eigene Formensprache findet. Daneben verformt sie giftige Bleiplatten zu Hüllen, denen das Menschliche entschlüpft ist, wie einem abgelegten Mantel. Durchaus politisch sind einige Arbeiten gemeint, in deren Inhalt sie sich mit Flucht, Feuersbrunst, Krieg, Armut oder dem Schmerz des Individuums auseinandersetzt und den Beschauer durch ihre Umsetzung dieser grossen Themen zu berühren sucht. Seit Susi Bleuler umgezogen ist in einen lichtdurchfluteten Raum, ist die Thematik ihrer Bilder abstrakter geworden. Die neuesten Acrylbilder lassen die Farben zu Emotionen werden.
Kataloge und Zeitungsberichte
1998 • «Künstler für Kinder» Kunsthaus Richterswil, Peter Noser
1997 • Katalog «International Women Artists» Grand Palais, Paris
1997 • Journal de Morges, FB Ausstellung im Centre Culturelle de Morges
1997 • Zürichsee Zeitung Ausstellung Im Höchhuus Küsnacht rbu, 11.3.1997
1997 • Tages Anzeiger Ausstellung im Höchhuus, Küsnacht Barbara Handke
1996 • Zürichsee Zeitung Erlenbacher KünstlerInnen, Christian Rentsch, 17.6.1995
1995 • Katalog Schuler Auktionen Sept.95
1994 • Katalog «Salon des Artistes Français» Espace Eiffel/Branly, Paris, Oktober 1994
1994 • Katalog «International Art Festival» AWA, San Francisco
1993 • Katalog «Contemporaines», International Women Artists Grand Palais, Paris, 31.1.1993
1993 • Le Quotidien de Paris Ausstellungsbericht Galerie ART 14 Yan Ciret, Paris, 22.7.1993
1993 • Le Courrier des Galeries Paris, Nr. 60, Juli 93
1992 • Tages Anzeiger, Züri Tipp Ausstellung in der Kirche St. Jakob Peter Killer, 24.12.1992
1991 • Katalog «Homo Helveticus, Frauen sehen Männer» Verein Artischock, Küsnacht, 11.10.1991
1991 • Katalog «Fils et Métier», «La Porte» Lourdes F, Oktober 1991
1988 • Katalog «Miniatur Textil Biennale» Szombathely , Ungarn, 24.6.1988
1988 • Katalog «Fibres et Fils» Musée d’Art et d’Histoire, Belfort, F, 30.7.1988